Performative Auseinandersetzungen


Performative Auseinandersetzungen:
"blank2:ich weiß" und "blank:wer_weiß?"

Was macht Pippi Langstrumpf in der Südsee? 
Warum heißt es „entdecken“, 
wenn Weiße auf bewohnte Erdteile stoßen? 
Was schrieben Kant, Hegel 
und andere Aufklärer noch so? 
Wessen Wahrheit steht in Kinder-, Schul- und Lehrbüchern?

"Instead of asking the common moral question: 
'Am I racist?' and expecting a comfortable answer, 
the white subject should rather ask: 
'How can I dismantle my own racisms?' " 
Grada Kilomba, Plantation Memories, p.23


photo: Carmen Romero


Überblick

Die Performances sind performativ-künstlerische Collagen aus persönlichen Variationen über das erstmalige Sich-bewusst-machen weißer Privilegien und den kritischen Umgang damit. Konfrontiert mit dem Wissen und dem Blick Schwarzer Künstler_innen, Wissenschaftler_innen und Aktivist_innen begeben sich zwei weiße Performer_innen auf eine Reise durch ihre Biographie: ihre Kinderbücher, Reiseführer, Tagebücher und aktuelle Zeitungen. Dabei wird deutlich, welchen konstanten Einfluss rassistische und koloniale Denkmuster auf ihre Sozialisation hatten. 
Hin und her gerissen zwischen Abwehr, Schuld und Scham  gelingt es ihnen immer mehr, sich einer neuen Sicht auf ihr erlerntes Wissen von der Welt und sich selbst zu öffnen.
  


 Ausgangspunkt des Projektes 

Wenn in Deutschland in den Medien über Rassismus gesprochen wird, dann geschieht dies in der Regel in Zusammenhang mit Neonazis, wie die Diskussion um die NSU-Morde gezeigt hat. Folgerichtig scheint dann das zentrale Mittel zur Bekämpfung von Rassismus ein NPD-Verbot zu sein. Dabei wird systematisch ignoriert, dass Schwarze Menschen und People of Color schon seit Jahrzehnten deutlich machen, dass Rassismus in unterschiedlichen Erscheinungsformen auch ein Problem der weißen Dominanzgesellschaft ist. Es besteht in der Erklärung von „Weißsein“ zur allgemein-gültigen Norm und daraus folgenden Ausschlüssen, Abwertungen und Exotisierungen von als „anders“ markierten Menschen: im Alltag, in Institutionen und in der Kultur. Dieser Verbreitung rassistischer Denkmuster und Strukturen entsprechend vielfältig sind die Initiativen von Schwarzen Menschen, People of Color und Weißen, die Rassismus auf den unterschiedlichen Ebenen benennen und bekämpfen. Dazu gehören z.B.:
  • zivilgesellschaftliche Organisationen wie die „Initiative Schwarze Menschen in Dtl.“, media-watch-Organisation wie „der-braune-mob e.V.“, freie Gruppen wie die „decolonial group“. 
  • wissenschaftliche Arbeiten im Rahmen der in Deutschland noch relativ jungen Kritischen Weißseinsforschung (und postkolonialer Theoriebildung), die sich zunehmend im deutschen Kontext etabliert (siehe “Mythen, Masken, und Subjekte”, 2005)
  • Bildungskonzepte, die, ausgehend von machtkritischen Varianten des “Diversity-Diskurses”, für das Ineinandergreifen unterschiedlicher Formen von Diskriminierung sensibilisieren wollen und auf eine Öffnung homogener Organisationskulturen abzielen – z.B. in Unternehmen, Schulen oder in öffentlichen Verwaltungen.
  • Auseinandersetzungen im Bereich der Kunst, wie sie das “postmigrantische” Theater des Ballhaus Naunynstraße zeigt, die Gründung der Theatergruppe “Label Noir” oder die aktuelle, von der AktivistInnen-Gruppe “Bühnenwatch” ausgelöste, Debatte um Rassismus und “Blackfacing” an deutschen Theatern. 
  • Eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema durch weiße Menschen gibt es in Deutschland eher selten. Veranstaltungen wie der Themenschwerpunkt  „Weiße Männer“ des Theaterdiscounters (Januar 2012) bilden die Ausnahme. 

Aufgrund der starken Verbindung des Themas „Rassismus“ mit dem Thema „Nationalsozialismus“ im kulturellen Gedächtnis Deutschlands und des mangelnden Wissens über die Geschichte und Gegenwart gerade kolonial-rassistischer Sprache, Topoi, Bilder und Filme führen Versuche, Rassismus zu benennen, bei Angehörigen der weißen Dominanzgesellschaft nicht selten zu heftigen emotionalen Abwehrreaktionen. Diese äußern sich z.B. in Verleugnung eigener Verantwortung, Ablenkung sowie verbalem Angriff. 
Doch auch wenn die wissenschaftliche Analyse der Geschichte, Funktionsweisen und Verbreitung rassistischen Denkens akzeptiert werden, bleibt die persönliche Auseinandersetzung mit dem eigenen Einbezogensein in rassistisches Denken und rassistische Strukturen schwierig. Denn Rassismus ist als Produkt eines sozialisatorischen Lernprozesses immer auch Teil einer emotionalen und körperlichen Identität. So gibt es neben einem großen intellektuellen Klärungsbedarf vor allem auch eine fehlende emotionale Aufarbeitung des Themas durch Menschen, die in dieser Gesellschaft weiße Privilegien besitzen und – ob gewollt oder nicht – strukturell in dieser Gesellschaft von Rassismus profitieren.


Inhalt
                                                                                        
                                              
Wenn's doch in der Süddeutschen steht! 

Eigenes Nichtwissen nicht bemerken, schmerzende Informationen überhören, für und über die "exotischen Anderen“ sprechen, eigenes Denken und Handeln als individuell und sich selbst als neutral wahrnehmen: weiße Privilegien begünstigen nicht selten solche Verhaltensmuster. 
Wie lässt sich dagegen eigenes Nichtwissen wahrnehmen?  Wie lässt sich Offenheit gegenüber weniger dominanten Stimmen einüben und die Realität anderer Erfahrungen  ganz selbstverständlich anerkennen? Warum fällt es so schwer, die eigene für neutral gehaltene Position in Frage zu stellen? 

In Anlehnung an Paul Gilroy beschreibt die Psychologin und Schriftstellerin Grada Kilomba in ihrem Buch „Plantation Memories – Episodes of Everyday Racism“ einen psycho-logischen Prozess, in den weiß positionierte Menschen ein-treten, wenn sie sich der Auseinandersetzung mit weißen Privilegien und der Alltäglichkeit von Rassismus stellen. Sie beschreibt dabei fünf Schritte: Verleugnung, Schuld, Scham, Anerkennung, „Wiedergutmachung“

In den Performances untersuchen wir die emotional-körperlichen Aspekte dieser fünf Schritte. Zwei als weiß positionierte PerformerInnen gehen dabei in die Tiefen ihrer eigenen Erfahrungen und erforschen die physio-psychologischen Prozesse, die bei der Klärung des eigenen Blicks ablaufen. 

Das Ziel-Publikum sind sowohl Personen denen das Thema neu ist, als auch Personen, die sich bereits intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt haben, und sich einer körperlich-emotionalen Perspektive öffnen wollen.